Viele, die der Segelvirus erfolgreich befallen hat, stehen irgendwann vor der Frage: Rettungsweste ja, aber welche? So gings mir vor ein paar Jahren auch und natürlich war niemand greifbar, der einen Überblick hatte und Tips geben konnte. Also gut, arbeiten wir uns also in die Thematik ein, und damit Ihr auch etwas davon habt hier der Erfahrungsbericht von einem, der auszog, eine Rettungsweste zu kaufen.
1. Schwimmhilfen

Gerade für Jollensegler eignen sich einfache Schwimmhilfen, das sind Westen, in die flache Schaumstoffschwimmkörper eingenäht werden. Sie haben i.d.R. einen Auftrieb von rund 50 Newton, helfen also beim Schwimmen, sind nicht ohnmachtsicher, können also den Segler von der Bewußtlos-Bauchlage nicht in die Rückenlage drehen, dafür sind sie im Herbst schön warm und können im Sommer mit T-Shirt getragen werden. Da sie flach sind, behindern sie kaum, weder beim Segeln noch bei der Arbeit im Wasser nach einer Kenterung. Sie brauchen keinerlei Wartung, sind billig in der Anschaffung und unterstützen den baden gegangenen Schwimmer, ob Jollensegler, Ruderer oder Surfer bis die Kiste wieder aufgerichtet ist oder die Kollegen zur Unterstützung vorbeikommen. Einzig wichtiger Punkt - der für alle Westen gilt - nur richtig angelegte Westen erfüllen ihre Funktion, d.h. Reißverschluß schließen und Bauchgurt dicht ziehen. Andernfalls schwimmt die Weste auf ohne den Schwimmer mitzunehmen.
2. Feststoffwesten

Darunter sind die knallroten Dinger zu verstehen, die es überall zu sehen gibt und die so dick sind, daß die Gefahr, alleine durch Behinderung über Bord zu fallen, nicht zu unterschätzen ist. Sie sind bezahlbar, wartungsfrei, es gibt sie für Kinder und Normalsegler (100 bis 150 Newton Auftrieb). Sie tragen den EU-Stempel 'ohnmachtsicher', wenn sie einen Dummi als Äquivalent eines Normalmenschen 'in Badehose' aus der Bauch- in die Rückenlage drehen können. Zu diesem Zweck sind unterschiedlich dicke Schaumstoffauftriebskörper eingenäht, die den Dreheffekt bewirken sollen. Aber wer fällt schon in Badehose über Bord? Die Zeitschrift
SEGELN (3/2000) hat daher die Westen mitsamt in Segelklamotten gepackte Testdummis ins Wasser geworfen. Ergebnis: 10 versagten, eine drehte sogar von der Seitenlage in die tödliche Bauchlage und nur eine, ein voluminöses Ungetüm von 1368gr. Gewicht, die Besto Survival 150N, tat was für 210 DM von ihr zu erwarten war. Mit anderen Worten:
Feststoffrettungswesten vermitteln eine trügerische Sicherheit, sind mit einer Ausnahme in Segelklamotten
nicht ohnmachtsicher, behindern bei der Arbeit im Wasser und bergen ein beachtliches Risiko, durch ihre Unförmigkeit überhaupt erst ins Wasser gefallen zu werden. Sie sollten allenfalls für Gäste an Bord bereit gehalten werden, an deren Wohlergehen einem nicht unbedingt etwas liegt. Ansonsten sind sie schön warm, für T-Shirt-Träger mehr als unbequem, als Schwimmhilfe brauchbar sofern man den Brustgurt und einen ggf. vorhandenen Schrittgurt wie vorgesehen stramm gezogen hat, im Vergleich zu den Automatikwesten (s.u.) auch nicht unbedingt preiswerter und können allenfalls einen Landrichter, der nie das Wasser gesehen hat, überzeugen, daß man ausreichende Sicherheitsausstattung dabei gehabt hat. Für den Eigenbedarf lasse ich die Hände von den Dingern.
3. Automatikwesten
So, jetzt wirds spannend. Wir reden über die flachen Dinger mit integriertem Lifebelt, die bei Wasserkontakt einen Luftkörper mittels Pressluftpatrone (CO2) aufblasen. Auslösen kann man sie entweder automatisch (dazu gleich mehr), halbautomatisch, d.h. in dem der Schwimmer an einer Kordel zieht, die die Patrone perforiert und die wiederum das Aufblasen übernimmt, oder durch einfaches Aufblasen (pust-pust) ganz und gar manuell. Sie sind leider nicht billig, müssen ca. alle zwei Jahre beim Hersteller oder Importeur kostenpflichtig (ca. 20-40 Euro) auf Funktionsfähigkeit überprüft werden um die Garantie zu erhalten (ist in Deutschland in der Sportschiffahrt keine Vorschrift, sondern eine Empfehlung), liegen ganz flach an, so daß sie auch T-Shirt-Träger kaum spüren (nichts ist unsinniger als eine Rettungsweste, die zu Hause, in der Koje oder einer Backskiste liegt) und drehen alle lt. Test der Zeitschrift
SEGELN (2/2000) auch bewußtlose Segler in Segelklamotten in die Rückenlage. Es gibt sie in kleiner Ausführung für Kinder und Erwachsene.
Dabei hat das Körpergewicht nichts mit der Wahl der Rettungsweste (150 bzw. 275 Newton Auftrieb) zu tun, da ein Mensch im Wasser fast schwerelos ist, egal wieviel er an Land wiegt (spezifisches Gewicht des Menschen ist ähnlich dem des Wassers (ca. 1), und Wasser in Wasser wiegt nichts). Entscheidend ist die Wahl der Bekleidung. Schwere Offshorekleidung ist paradoxerweise nicht schwer sondern sie schließt Luft ein. Diese Luft ist Auftrieb an der verkehrten Stelle und könnte unter ungünstigen Umständen dem Drehmoment der Rettungsweste entgegenwirken, d. h. die Ohnmachtssicherheit ist u.U. aufgehoben. Wer da sicher gehen möchte, sollte zu den Westen mit 275 Newton Auftrieb greifen.
3.1. Spraycap
Viel zu wenig Wert wird üblicherweise auf das Vorhandensein einer Spraycap gelegt. Sie sollte zumindest nachrüstbar sein. Von denen die es wissen müssen, den Rettern der Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger DGzRS, ist immer wieder zu hören, daß Segler in der Regel nicht durch Bewußtlosigkeit in Folge einer Patenthalse ertrinken, sondern durch den Sprühwasserfilm, der knapp über der Wasseroberfläche bei bewegter See entsteht, und durch Überspülen von Wellen, da Wasser in die Lungen gelangt. So ein Überzug ist also gerade bei Schwerwetter
lebensrettend! Auf diese Weise fallen gleich eine ganze Reihe Westen als potentiell zu erwerben aus. Die Weste Rescue 160 der Firma bfa leider auch, da die Spraycap mit einem Reißverschluß geschlossen werden muß und meiner Meinung nach (und der der Tester) zu labil befestigt ist. Wenn man schon Geld für die eigene Sicherheit investiert, dann sollte man nicht am falschen Ende sparen.
3.2. Auslösemechanismen
Westen mit Hammar-System lösen nur aus, wenn auf der Weste ein bestimmter Wasserdruck liegt (10 cm Wassertiefe). Dies verhindert Fehlauslösungen und führt zu niedrigen Wartungskosten. Allerdings kann der Träger beim Hammar-Mechanismus nicht überprüfen, ob die Automatik auch funktioniert - außer eben durch auslösen. Deswegen ist diese Weste auch durch den SEGELN-Test gefallen und Sospenders mußte im August 2002 eine ganze Ladung mit Hammar-Auslösern zurückrufen.
Bleiben die Rettungswesten der drei Marktführer, nämlich die von SOSTECHNIK, KADEMATIC und SECUMAR. Sie haben alle ein ähnliches Auslösesystem, nämlich eine Salztablette, die sich im Wasser auflöst und somit die Aktivierungsautomatik freigibt. Versagt es, kann man die Westen auch per Hand ausloesen. Andererseits haben sie manchmal die unangenehme Eigenschaft, durch eingedrungene Feuchtigkeit auszulösen obwohl man gar nicht im Wasser liegt (z.B. im Koffer im Schlafwagen) - großer Schreck, sehr ärgerlich, kostet wieder einen Sprengsatz (zwischen 15 und 21 Euro). Um so wichtiger ist es, daß die Tablette gut geschützt liegt. Es lohnt sich, nach 'nassem segeln' prophylaktisch die Salztablette auszutauschen, die es bei SECUMAR und KADEMATIC im 10er-Pack für 13 € gibt; die robusteren Bobbins bei SOSTECHNIC kosten pro Stück 4 Euro. Beim Kauf achtet darauf, daß die Weste nicht zu alt ist, d.h. in den Regalen des Verkäufers gelegen hat. Die Westen sind mit einer Marke ähnlich dem TÜV-Siegel versehen; der nächste Wartungstermin sollte frühestens in 2 Jahren sein.
Nun gibt es aber auch Segler, die bei Wasserkontakt gar nicht immer die Automatik aktiviert sehen wollen. Wer z.B. Jollen segelt, windsurft oder die Weste auch beim rudern tragen will, will sie nur in Extremsituationen auslösen, ansonsten muß sie Wasserkontakt reichlich aushalten ohne loszugehen. Muß man also zusätzlich eine halbautomatische Weste für diese Zwecke erstehen?

Alle drei Hersteller haben mittlerweile deaktivierbare Westen auf den Markt gebracht, d.h. der Mechanismus kann mit einer Art Klammer so behindert werden, daß die Salztablettenautomatik nicht auslöst. Der Zustand der Automatik kann durch eine Art Sichtfenster von außen erkannt werden, was für Dritte wichtig ist, die für den Träger Verantwortung tragen, etwa Vercharterer, Segelschulen, Eltern für ihre Kinder usw.
Hier ein kurzer Vergleich, Preise Stand 6/2013:
SECUMAR
Arkona 275 Plus, 215€
incl. Spraycap
incl. Nachtlicht
3Punkt-Lifeline 34 Euro
Automatiksperre 14 Euro
komplett also 263 Euro
KADEMATIC
Nova 275 AHR, 199€
Spraycap 61 Euro
Nachtlicht 30 Euro
3Punkt-Lifeline 32 Euro
Automatiksperre 13 Euro
komplett also 335 Euro |
SOSTECHNIK
California Professional 275N Iso Set, 249€
incl. Spraycap
incl. Nachtlicht
incl. Lifeline
Automatik deaktivierbar
komplett 249 Euro
|
Ich habe ich mich für die California von SOSTECHNIC entschieden, die mit dem Automatik-Auslösemechanismus
Halkey-Roberts ausgestattet ist, der problemlos zu deinstallieren ist. Die Firma A-Tech aus Neumünster führt die Wartung durch; am einfachsten die Weste auf deren Messe-Stand abgeben, wird dann zugeschickt. Gibts z.B. hier
3.3. Noch mehr Unterschiede

Worauf sollte man beim Rettungs-(nicht: Schwimm-)westenkauf noch achten?
Zunächst muß die Weste angenehm zu tragen sein: probieren Sie eine an! Westen mit V-Ausschnitt hinten scheuern oft am Halsrücken und ärgern so T-Shirt-Träger. Auch hier gilt: Nur getragene Westen erfüllen ihre Funktion. Ich bevorzuge also einen breiten Quer-Schultergurt, sozusagen eine U-Konstruktion.
Nur wenn der Bauchgurt dicht gezogen ist, kann eine Rettungsweste ihren Zweck erfüllen; andernfalls schwimmt sie auf und läßt den Träger jedoch sozusagen 'gerade im Wasser stehen'. Wie ein Unfall zeigte, der zwei Bundeswehrsoldaten das Leben kostete, sind offen getragene Rettungswesten sogar lebensgefährlich, da sie nach der Aktivierung wie ein Ballon wirken, nach oben rutschen und den 'Träger' so unter Wasser drücken! Also: Stellt Euch nicht so an, die Dinger spürt man eh kaum, also legt sie auch richtig an! Für viele Segler ist es lästig, den Bauchgurt ständig zu verändern.
Wichtig ist also die leichte Verstellbarkeit des Bauchgurts. Viele Hersteller integrieren die Gurtanpassung in den Schließbeschlag, weil der ziemlich günstig produziert wird. Ich finde (man muss sich ja vorsichtig ausdrücken...), daß diese Gurte dann nicht einfach einzustellen sind. Für mich sollte der Bauchgurt durch eine Extra-Schnalle zu verstellen sein.
Irgendwo muß ja bei den billigen Westen gespart werden. Das ist nicht nur beim Brustgurtverstellbeschlag der Fall, auch beim Verschluß der Weste über dem Luftkörper kann (am falschen Ende) gespart werden, wenn man nur einen ganz dünnen Klettverschluß oder Drucknöpfchen benutzt, die bei geringer täglicher Belastung schon aufgehen - ein breites Klettband sollte es dann schon sein. Auch dürfte die Weste statt einem zwei D-Bergeringe haben, so daß garantiert auch bei größerer Belastung nichts reißt. Mir ist unerklärlich, warum die Hersteller gerade an solchen Pfennigartikeln sparen. SECUMAR schwört bei den sog. Harness-Westen auf einen D-Ring, der aber besonders stabil befestigt sein soll. So hat jeder seine eigene Philosophie.
Wichtig ist auch das Obermaterial, das den Luftkörper mehr (Cordura) oder weniger gut gegen Beschädigung etwa durch scharfe oder spitze Gegenstände schützt. Hier gibts ganz erhebliche Unterschiede in Qualität und Preis. Die Duo-Protect-Westen der Firma SECUMAR und die ALR-DW von KADEMATIC haben eine zusätzliche Schutzhaut, die sich an einer beschädigten Stelle nach der Auslösung leicht verschoben über den unteren Riß legen soll, so daß sich durch den Gasdruck die beschädigten Stellen gegenseitig abdecken und abdichten. Raffiniert. Leider ließen sich die Firmen auf der Düsseldorfer Bootsmesse nicht bewegen, mit Hilfe eines Messers die Funktionsweise in der Praxis zu demonstrieren. Auch einen Film gabs nirgendwo. Schade.
3.4. Zusatzausrüstung
Wie oft verschätzt man sich bei der Tagesplanung und kommt im Dunkeln nach Hause? Wer hat nicht schon in einer lauen Sommernacht abgelegt und draußen auf dem Wasser die Magie der Milchstraße auf sich wirken lassen? Wer dann über Bord geht, hat schlechte Chancen, wiedergefunden zu werden. Auf See ist es meist sehr laut, die Segel knallen, der Diesel brummt und das Wasser ist gerade bei Schietwedder alles andere als leise was alle diejenigen bestätigen werden, die in solchen Situationen sich schon einmal von Bord zu Bord verständigen wollten. Rufen hilft auf See also kaum etwas. Die Anschaffung eines
Nachtlichtes (um 50 Euro), das bei Wasserkontakt automatisch die Arbeit aufnimmt und in die Weste integriert wird, ist sinnvoll. Es gibt sie als dauerndes Licht oder als Blitzlicht; bei letzterem dürfte die Batterie länger halten, allerdings gibt es da den Murphy-Effekt: blitzt bestimmt immer nur im Wellental...

Die Automatik-Westen haben einen integrierten Lifebelt (Harness) und am Schließbeschlag in der Regel einen, besser noch zwei D-Ringe, in die man eine
Lifeline einhängen kann. Es handelt sich dabei um eine bruchgetestete Leine mit zwei Karabinerhaken an den Enden und einem in der Mitte (gibts auch asymetrisch), so daß man die Enden bei Schwerwetter z.B. in sog. Sorgleinenen = gespannten Sicherheitsleinen einhaken kann und trotzdem beweglich bleibt, in dem man mal das eine, mal das andere Ende einpickt. Um das potentiell gefährliche Gehuddel mit diesen Leinenenden zu minimieren gibt es neuerdings welche mit Spiralfunktion: im unbenutzten Zustand ziehen sie sich zusammen und sind nicht im Weg. Sicherlich eine sinnvolle Anschaffung.
Rettungswesten-Test in der
Yacht 14/2006!
Secumar
Kadematic
Sostechnic
Zodiac
Spinlock by Frisch
Marinepool
Plastimo
Worauf man achten sollte:
Auftrieb (150/275 Newton)
neuere Fertigung (Wartung erst in 2 Jahren)
Spraycap
Auslösemechanismus (z.B. Halkey Roberts; nicht Hammar)
U-Ausschnitt
Brustverstellbeschlag
2 D-Ringe
breites Klettband
Obermaterial
Nachtlicht
Lifeline
Ersatzsprengsatz
Schließlich und endlich ist immer ein
Ersatzset Reservepatrone und Salztablette (ca. 16 Euro) mitzunehmen, denn wenn man einmal in den Bach gefallen ist und die Weste ausgelöst hat, steht man andernfalls für den Rest des Törns ohne Schutz da. Bei Flugreisen ist bei den Fluggesellschaften vorher zu klären, ob die Patronen ins Handgepäck oder in den Koffer sollen. Das macht trotz eindeutiger IATA-Luftfahrtbestimmungen jede anders (Groundhostess: '
Wieso nehmen Sie eine Rettungsweste mit? Wir haben doch unter jedem Sitz eine??!!' Wirklich passiert...). Bei Charterjachten sind i.d.R. Rettungswesten vorhanden, über deren Zustand man aber nie sicher sein kann.
4. Epilog
Das war die Ausbeute mehrerer längerer Informationszüge über die Bootsmesse in Düsseldorf. Soweit es über den SEGELN-Test folgende Seite) hinausgeht sind es meine ganz persönlichen Kriterien, die natürlich subjektiv sind (Erfahrungsberichte von Euch erwünscht!). Aber vielleicht gibt es ja noch mehr Leute, deren Kriterien auch ganz subjektiv sind...
Hoffe, dass es dem ein- oder anderen hilft.
In diesem Sinne
Arne aus Bonn
Stand: 3/2007
bfa, KADEMATIC, SECUMAR, SOSTECHNIC, Sospenders sind eingetragene Warenzeichen